Dass ich einmal meinen kinderfreien Tag mit einer Wanderung verbringe, hätte ich mir wohl nie gedacht. Aber offenbar ändern sich die Zeiten und überhaupt steht der Bahnwanderweg zwischen Semmering und Breitenstein schon wirklich lange auf meiner Bucket-List. Den 20 Schilling Blick, die Kalte Rinne, die Polleros Wand und alle anderen Highlights dieses Weges einmal (wieder) in echt zu sehen. Das letzte Mal bin ich als Kind hier gewandert, wo ich das alles naturgemäß mäßig spannend fand. Heute aber umso mehr. Daher machen wir uns auf in Richtung Breitenstein, lassen dort unser Auto stehen und fahren mit dem Bus zum Bahnhof Semmering, dem Ausgangspunkt unserer Wanderung.
Wanderung am Bahnwanderweg von Semmering nach Breitenstein
Wir entscheiden uns für den bekanntesten und beliebtesten Teil des Bahnwanderwegs von Semmering nach Breitenstein. Rund 10 Kilometer führt der Wanderweg in unmittelbarer Nähe der Semmeringbahn. Diese ist natürlich Star und Mittelpunkt des Themenwegs, und macht die Wanderung zu einem einzigartigen Erlebnis. Sie bereichert den ohnehin schönen Weg mit architektonischen (oder technischen) Highlights und spannender Geschichte.
Eine Geschichte, an die wir uns noch dunkeln erinnern können. Denn der Semmering und die dazugehörige Bahn waren fünf Jahre lang Teil unseres Lebens. Unzählige Male sind wir mit dem Zug von zu Hause nach Semmering gefahren, die berühmte Wegstrecke war damals unser Schulweg. So gesehen lernten wir auch etwas über das UNESCO-Weltkulturerbe und ein wenig davon ist nach 15 Jahren noch hängen geblieben. Dass der Venediger Carl Ritter von Ghega die Semmeringbahn errichtete, dass diese Mitte des 19. Jahrhunderts entstand und zur damaligen Zeit als unmöglich galt. Später, nach Fertigstellung als technische Höchstleistung und Wahnsinns-Errungenschaft.
Trotzdem bleibe ich schon bei der ersten Infotafel am Bahnhof Semmering stehen und lese die kurze Information über den berühmten Italiener Hr. Ghega. Auch später frische ich mein verstaubtes Schulwissen auf und erfahre spannende Dinge über den Bau der Semmeringbahn. Über die technischen Schwierigkeiten, die menschlichen Tragödien und die Besonderheiten dieser Zugstrecke. Wer nicht immer stehen bleiben möchte, kann die Geschichten übrigens auch als Audio Guide mittels QR-Code einfach aufs Handy laden.
Von Semmering übers Kurhotel zum 20 Schilling Blick
Nach dem ersten Stopp wandern wir los. Schnell verlassen wir den Bahnhof Semmering, bald auch den Kinderbahnhof (ein Kinderspielplatz für alle zugbegeisterten Kleinen) und erreichen den Wald. Relativ gemütlich (wenn auch immer wieder auf und ab) gehen wir in Richtung Breitenstein.
Beim Bahnhof Wolfsbergkogel erreichen wir das idyllisch gelegene Kurhotel und spähen durch die Waldbäume auf das nicht minder imposante Südbahnhotel und die umgebenden Jahrhundertwende-Villen. Schon im 19. Jahrhundert, noch vor dem Bau der Bahn, war der Semmeringpass und der Ort selbst beliebtes Sommerfrische-Ziel der Wiener. Der Bau der Semmeringbahn machte ab 1854, als die Bahn in Betrieb ging, eine direkte Zugverbindung von Wien hierher möglich. Nach wenigen Schritten durch den (wirklich wunderschönen) Wald, erreichen wir die Aussichtswarte am Doppelreiterkogel. Ein erster Vorgeschmack auf die unzähligen tollen Ausblicke, die noch folgen sollten. Wir nehmen uns viel Zeit und genießen die herrlichen Blicke auf den Schneeberg, die Rax, auf den Semmering und die umliegende Gegend. Und natürlich auch auf die Semmeringbahn, die Kalte Rinne, die Polleroswand und den Weinzettelwand-Tunnel.
15 Minuten später geht es mit Top-Aussichten weiter. Dieses Mal am sogenannten 20 Schilling Blick. Ein Aussichtspunkt, der seinem Namen einer Auszeichnung verdankt. Die erste normalspurige Gebirgsbahn Europa wurde als weltweit erste Bahnstrecke 1998 als UNESCO-Weltkultur Erbe ausgezeichnet. Jener Blick auf die Polleroswand und die Kalte Rinne hat es als Anerkennung der technischen Leistung auf den damaligen 20Schilling Geldschein geschafft. Diese Aussicht vor unseren Augen ist quasi durch zahlreiche Hände und an genauso vielen Augen vorüber gegangen und kann heute nur noch live bewundert werden. Ist aber sowieso schöner, finde ich.
Unter Viadukten und an Bahngleisen am Bahnwanderweg bis nach Breitenstein
Natürlich könnte man jetzt sagen, die Highlights der Strecke wurden nach einer Stunde erreicht. Und tatsächlich gibt es ja auch kleinere Runden, die genau diese beinhalten. Aber auch die übrigen 2,5 Stunden haben viel zu bieten. Angefangen von den „kleinen“ Dingen, wie die zahlreichen Zyklamen am Wegesrand, oder die hunderten Herbstzeitlosen auf einer Wiese. Im Februar gibt es hier unzählige Schneerosen und blühende Schneeheide, einige Tafeln im Wald erzählen von Seidelbast und anderen Pflanzenraritäten, die hier wachsen.
Aber auch von der Semmeringbahn gibt es noch Spannendes zu sehen. Allen voran die beiden Viadukte, die den Wanderweg kreuzen. Fast unvermittelt tauchen sie vor uns auf und lassen erahnen, welche technischen Herausforderungen beim Bau der Semmeringbahn auftauchten. Immerhin fährt die Bahn alleine von Gloggnitz bis Mürzzuschlag über 16 solcher Viadukte, über 100 gewölbte steinerne Brücken und durch 15 Tunnels.
Wir durchqueren Viadukt Nummer eins und kämpfen uns den steilen Waldweg nach oben (dieses Stück ist mir noch von meiner Kinderheit in Erinnerung). Danach genießen wir umso mehr den Blick hinunter auf das Viadukt und freuen uns wie kleine Kinder, als tatsächlich ein Zug in unserer kurzen Verschnaufzeit drüber fährt. Selbes gilt dann auch für die „Kalte Rinne“, das berühmte zweistöckige Viadukt, das als Schlusshighlight auf unserem Weg liegt.
Mein Fazit zum Bahnwanderweg Semmering - Breitenstein
Für mich einer der schönsten Wanderweg der Region. Der Mix aus Aussichten, Geschichte und beeindruckender Natur ist einfach wunderbar.
Weitere Tipps von freets
Parkplatz gibt's beim Bahnhof Semmering oder Breitenstein. Natürlich geht die Anreise perfekt mit dem Zug. Nachdem der Ausgangspunkt an der Südbahn liegt ist der Bahnhof ideal mit Zug erreichbar. Hier kannst du in Semmering aussteigen und von Breitenstein wieder retour fahren.
Du kannst bis nach Klamm (15km), Payerbach (20km) oder Gloggnitz (23km) weiter gehen. Der steirische Bahnwanderweg wurde auch als Themenweg gestaltet und führt 17km von Semmering nach Mürzzuschlag.
Autorin Claudia Schlager
Reise-, Ausflugs- und Fotoenthusiast, Storyteller, 2fache Mädchenmama, Kunsthistorikerin, Genussmensch und Naturliebhaberin aus dem südlichen Niederösterreich. Mit freets verbinde ich seit 2015 einen Großteil meiner Leidenschaften und gebe regelmäßig Einblick in meine kleinen und großen Entdeckungen.
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