In meiner Wien-Zeit bin ich schon wirklich oft durch die Hofburg spaziert. Durch die imposante Kuppel beim Michaelertor und vorbei am schwarz-roten Schweizertor. Erst spät bin ich am Schweizertor auch abgebogen und weiter in Richtung Burggarten spaziert. Eine versteckte Route, eine, die kaum von Touristen frequentiert wird. Ein Weg, der mich eher zufällig als beabsichtigt zur Wiener Hofburgkapelle führte. Der barocken Fassade, die kaum eine mittelalterliche Kapelle dahinter vermuten lässt und zum spätmittelalterlichen Chorschluss, der völlig deplaziert in den dahinter liegenden kleinen Hof ragt.
Seit ich nicht mehr in Wien wohne haben diese Spaziergänge und die damit verbundenen Begegnungen mit der Hofburgkapelle aufgehört. Seitdem ist es vor allem derTag des Denkmals, der mich immer an die kleine Kapelle denken lässt. Denn an diesem Tag Ende September habe ich die Hofburgkapelle das erste Mal so richtig besichtigt und durfte Besucher:innen mehr zur Geschichte, Architektur und Nutzung zu erzählen; und da der Tag des Denkmals schon wieder vor der Tür steht, möcht‘ ich der kleinen Kapelle auch hier ein wenig Raum geben und mehr von diesem versteckten Sakralbau erzählen. Übrigens ist der die Kapelle mittlerweile auch auf eigene Faust oder im Rahmen von Konzerten der Wiener Sängerknaben zugänglich.
Hofburgkapelle, Hofmusikkapelle, versteckte Kapelle.
Die Hofburgkapelle und Wiener Sängerknaben sind eng miteinander verknüpft und besteht wohl schon seit der Gründung der architektonischen Kapelle im 13. Jhdt. Es wird vermutet, dass auch die Wiener Hofmusikkapelle zu jener Zeit gegründet wurde. Eine Kapelle, die noch heute existiert und sich aus Teilen der Wiener Philharmoniker, des Herrenchors der Wiener Staatsoper und den Wiener Philharmonikern zusammensetzt. Österreichisches Kulturgut, das auch weniger Musikbegeisterten ein Begriff ist. Ort ihres Wirkens war damals wie heute die Hofburgkapelle.
Die Hofburgkapelle war schlicht gesprochen die Hauskapelle der Habsburger und existierte schon seit Anbeginn der Hofburg im ausgehenden 13. Jahrhundert. Herzog Albrecht I. wird 1301 als Gründer der - damals wohl zweigeschossige, einschiffige Anlage im südöstlichen Teil des Schweizertrakts (die ursprüngliche Hofburg) - genannt.
Ein moderner und aufwändiger Bau aus dem Spätmittelaler
Schon ein paar hundert Jahre später, im 15. Jhdt., wurde die Hauskapelle radikal neu gestaltet. Grund soll die Hochzeit 1421 Herzog Albrechts V. mit Elisabeth, der Tochter König Sigismund gewesen sein. Diese öffnete dem Herzog Türen und Toren zur königlichen Familie und reele Chancen König zu werden. Denn Elisabeth war die einzige Tochter, Albrecht der einzige Schwiegersohn. Diese neue Stellung sollte an der eigenen Hauskapelle gezeigt werden.
1425 wurde der Umbau mit einer Weihe abgeschlossen. Ein doppelgeschossiger Bau, einschiffig, aber doppelt so lang als der Vorgänger. Der polygonale (5/8) Chorschluss ragte nun über die Stadtmauer und den Burggraben hinaus, sprengte die Hofburg und war somit auch von außerhalb der Stadt sichtbar. Ebenso dürfte sie im Westen mit einer repräsentativen Fassade und doppelgeschossigem Vorbau und Dachreiter ausgestattet worden sein. So sah man die höfische Kapelle nicht nur bei Annäherung der Stadt, sondern wurde mit ihrer absoluten modernen und ausgezeichneten Gestaltung direkt im Schweizerhof selbst konfrontiert.
Die aufwändige Gestaltung setzt sich auch innen fort: ein Netzrippengewölbe, das im Chor ein Sterngewölbe ausbildet, spannt sich noch heute über den Raum und wird mit vier überaus dekorativen, fein gearbeiteten Schlusssteinen, mit einem Chorpfeilerfigurenzyklus unter Baldachinen und einem großen Fresko geschmückt. Eine zweite Weihe 1449 weist darauf hin, dass auch Kaiser Friedrich III. mit Umgestaltungen beschäftigt war.
Warum sich ein Giebel im Dachboden versteckt. Die Vereinheitlichung der Hofburg unter Maria Theresia
Von diesem großartigen spätmittelalterlichen Bau ist heute von außen nicht mehr viel zu sehen. Grund dafür sind Umbauten an der Kapelle und der Hofburg. Einerseits ist die Doppelgeschossigkeit heute nicht mehr gegeben, denn nach der Einebung des Burggrabens verschwand das Untergeschoss unter der Erde. Nur noch ein Gesims am Chor und ein Teil der Fensterrahmung verweist auf diesen unterirdischen Bauteil. Andererseits ist durch den Bau der Botschaftsstiege, der Vereinheitlichung der Fassaden und der Erhöhung des Kapellenvorbaus vom Giebel nichts mehr zu sehen. Dieser liegt im Dachboden der Kapelle verborgen. Übrigens ist die Kaiserin auch stark für den inneren Raumeindruck verantwortlich. Durch den Einbau von Emporen und Oratorien ist die Vertikaltendenz der Kapelle verloren gegangen, auch der klassizistische Hochaltar im Osten ist neu.
Trotz all der Veränderungen ist der Bau gut erhalten. Es macht umso mehr Freude die Reste des ursprünglichen Baus zu entdecken, da und dort noch ein spätgotisches Maßwerk zu finden, einen Stumpf eines Dachreiters oder ganz überraschend bei einem Spaziergang durch die Hofburg plötzlich vor dem beeindruckenden Chorpolygon zu stehen.
Mein Fazit zur Wiener Hofburgkapelle
Ein kleines, unbekanntes Architekturjuwel Wiens, das in seinen Ursprüngen zu den bedeutendsten Bauten Wiens zählte und demnach bei jedem Geschichts- und Architekturbegeisterten auf der "Liste" stehen sollte.
Weitere Tipps von freets
Die Anreise ist sehr einfach öffentlich möglich (Michaelerplatz oder Herrengasse).
Du kannst die Hofburgkapelle im Rahmen von Veranstaltungen, wie dem Tag des Denkmals, oder im Rahmen von Konzerte der Wiener Sängerknaben besichtigen. Mehr zu den Konzertterminen auf der Website von Wien Tourismus.
Die Hofburgkapelle ist Montag 10:00-14:00, Dienstag 10:00-14:00 und Freitag 11:00-13:00 kostenlos öffentlich zugänglich.
Autorin Claudia Schlager
Reise-, Ausflugs- und Fotoenthusiast, Storyteller, 2fache Mädchenmama, Kunsthistorikerin, Genussmensch und Naturliebhaberin aus dem südlichen Niederösterreich. Mit freets verbinde ich seit 2015 einen Großteil meiner Leidenschaften und gebe regelmäßig Einblick in meine kleinen und großen Entdeckungen.
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