Ein fast vergessenes Leben entdecken: Zu Besuch in der Kartause Aggsbach

kurz&bündig

Im kleinen Ort Aggsbach an der Donau, nicht unweit der stattlichen Burgruine Aggstein, befindet sich das seit 1782 geschlossene Kartäuserkloster Aggsbach. Der Bau repräsentiert einen wichtigen Aspekt der mittelalterlichen Geschichte: das religiöse Leben, das neben verfallenen Burgen und Rittergeschichten oft vergessen wird. Bei einem Besuch der Kartause Aggsbach kannst du dich diesem Leben nähern. Dabei spazierst du durch den hellen und stillen Kreuzgang, lauscht dem beeindruckenden Orgelspiel in der heutigen Pfarrkirche, oder kommst im Meditationsgarten zur Ruhe.

Hoch ragt die weiße Kirche vor uns auf, fast abweisend wirkt der kleine Zubau, welcher den Eingang mit seinen hohen, kaum durchfensterten Mauern, beherbergt. So, als wolle sie nicht, dass wir in ihre geheime Welt eintauchen. Davor und dahinter ebenfalls eine hohe Mauer, die weit über das Areal der Kirche hinausgeht. Das große Gelände des Kartäuserkloster umschließt und von dessen ehemaligen Dimensionen zeugt.

Auch das Kloster und Klosterleben der Kartäuser in Aggsbach gehört der Vergangenheit, wenn nicht gar dem Vergessen an. Nur noch Reste der großen Klosteranlage haben sich bis heute erhalten. Reste, die eine Ahnung geben, was hier im Mittelalter gestanden hatte.

1380 wurde die Anlage von Heinrich von Maissau gegründet, einem damaligen bedeutenden Adeligen. Der anscheinend ganz dem Zeitgeist folgte, wurden doch auch andere Kartäuserklöster Niederösterreichs (Gaming, Mauerbach) von hochrangigen Adeligen, ja eigentlich sogar von der wichtigsten Familie der Zeit (Habsburger) gestiftet. Denn eines ist gewiss und war wohl auch damals sonnenklar: Das religiöse Leben, die Mönche und Nonnen und ihr Beitrag zur mittelalterlichen Gesellschaft, ist nicht zu unterschätzen. Auch, wenn kaum jemand ein Kloster im Hinterkopf hat, wenn er ans Mittelalter denkt. Wage ich zu behaupten.

Das vergessene Leben der Kartäusermönche in Aggsbach

Gut, dass es Mönche gab im Mittelalter, das ist schon bekannt. Name der Rose sei Dank. Aber wie es eigentlich so in einem Kloster zuging, eher weniger. Oder, dass es da grundverschiedene Modelle – sprich Orden – gab. Einer davon der Kartäuserorden. Eine Kombination aus Eremitendasein (sprich ganz alleine, sinnsuchend, betend, vor sich hin lebend) und das Leben in der Gemeinschaft mit gemeinsamen Speisesaal, Schlafsaal, mit karitativen Tätigkeiten. Eine ganz eigene Kombination, die sich auch in der Architektur niederschlug und die Kartausen heute zu etwas ganz Besonderen machen. Auch, weil nicht mehr allzu viele erhalten sind.

Von meinem Besuch in Mauerbach und einem kurzen Abstecher in Gaming war mir das Konzept ja bereits bekannt. Gut, natürlich auch vom Studium (vor allem eigentlich). Faszinierend finde ich es trotzdem immer wieder aufs Neue. Dass es so völlig andere Lebensmodelle gab, dass uns die Gebäude heute erzählen können, wie damals gelebt wurde. Die Vorfreude auf die Besichtigung war demnach groß und die optisch abwehrende Einstellung der Kirche wurde einfach ignoriert.

Die Kartäuserkirche Aggsbach und die Begeisterung eines Einzelnen

Mit meinen Mitreisenden ging es also schnurstracks in die Kirche. Eine enge Treppe hinauf, direkt zur Orgelempore. Nur kurz konnte ich einen Blick in den Kreuzgang und die Klosterkirche erhaschen.

„Ah, mutig, Sie haben sich hier hinauf zu Orgel gewagt!“ ist das erste, das wir hören, als wir die enge Treppe zur Orgelempore hinter uns lassen. Erst beim zweiten Blick sehen wir vor den riesigen Orgelpfeifen einen Mann sitzen. Hat auch er die abweisende Haltung der Kirche gespürt? Vermutlich nicht, denn dieser Mann, seines Zeichens Organist der Pfarrkirche Aggsbach, hat sein Herz offenbar schon längst an die Kirche in Aggsbach geschenkt. Sein Herz und sein Talent, das er uns schon in Kürze unter Beweis stellt. So erfüllen den Sakralraum schon bald die satten Töne der Orgel. Einmal spielerisch, leicht, dann wieder schwermütig. Die Augen des Organisten leuchten und er verweist auf die unglaubliche Akustik. Die Einschiffigkeit tue der Akustik gut, das hätte man in anderen Kirchen nicht. Die Schlichtheit. Wir lauschen gebannt und genießen das Schauspiel.

Was du bei einer Besichtigung des Klosters zu sehen bekommst

Zeit, um uns den Rest des Klosters anzusehen, haben wir im Anschluss genug. Der kurze Blick konnte also vertieft werden, nicht nur von der Orgelempore aus. Die markanten gelben Pfeiler, die hohen Maßwerkfenster und die Schlusssteine. Einer davon das Wappen der Maissauer, der Gründer. Ein Ort, der sich auf vielfältige Weise lesen lassen würde und sofort juckt es mich schon unter den Fingernägeln, dass ich mich auf direkten Weg in die Bibliothek begebe und recherchiere. Kunsthistoriker können eben auch auf Reisen nicht aus ihrer Haut.

Für heute begnüge ich mich jedoch mit einer Besichtigung und Führung. Lasse mir die, derzeit bekannte, Geschichte erzählen und durch die Räume der Anlage führen. Bis auf die Kirche und den Kreuzgang übrigens alles ehemalige Wirtschaftsgebäude, die an das Kloster anschlossen. Voll mit Informationen, über das Leben der Kartäuser, samt Rekonstruktion ihrer Zimmer und der Klosteranlage.

 

Wenn Grabungen zu grünen Zimmern werden

Letzte Station ist der Meditationsgarten, direkt neben der ehemaligen Klosterkirche. Zur Erläuterung der Baugeschichte haben wir uns lieber für einen sonnigen, wärmeren Ort entschieden. Was wir anfangs nicht wissen, ist das wir im ehemaligen Wohnzimmer eines Mönchs Platz nehmen. Gut, Wohnzimmer ist vielleicht jetzt zu salopp formuliert. Vielmehr eine sogenannte „Cella“. Eines der 12 separaten Häuschen, das jeder Mönch für sich hatte. Wo er zurückgezogen leben konnte, betete, meditierte, ja sogar einen eigenen Garten betreute.

Im April, wenn alles erst zu wachsen und blühen beginnt, ist das erst auf den zweiten Blick ersichtlich. Im Sommer, werden die Wände der Häuschen von Grün überwuchert sein und durch einen natürlichen Rautmeiler getrennt. Alles basierend auf den Grabungen, den echten, erhaltenen Mauerresten der Klosterhäuschen. Eine wirklich gute Idee, wie ich finde.

Das rät dir freets für deinen Besuch in der Kartause Aggsbach

  • Kombiticket mit Hammerschmiede und Steinstadel in Aggsbach Dorf erhältlich
  • Führungen für Gruppen (ab 6 Personen) sind auch außerhalb der Öffnungszeiten nach Voranmeldung möglich
  • Außerhalb der Sommermonate eine Weste oder Jacke mitnehmen.
  • Weitere Kartäuserklöster in Österreich: Kartause Mauerbach und Kartause Gaming; ebenfalls zu besichtigen.

*Einladung: Der Besuch erfolgte auf Einladung von Donau-Niederösterreich Tourismus. Dies hat natürlich keinerlei Einfluss auf den Inhalt und die hier wiedergegebene Meinung.

Nützliche Hinweise für deinen Besuch

Aggsbach-Dorf 46, 3642 Aggsbach Dorf
Öffnungszeiten: April–Oktober: Do–So und Feiertag: 10:00–16:00, Mai–September bis 17:00 Meditationsgarten: immer geöffnet
Kosten: Erwachsene 6,00; Studenten, Senioren und Gruppen: 5,00; Schüler/Lehrlinge: 3,00; Meditationsgarten: 2,00
Dauer: rund 1 Stunde
Aktualisiert: 26. April 2018
Kontakt: Mag. Christina Nussbaumer 0664/9370444
http://kartause-aggsbach.at

Zuletzt besucht: April 2018

More from Claudia
3 Filmempfehlungen (für Netflix & Co)
Kennst du das? Seit du dich zu Hause für Netflix oder andere...
Read More
0 replies on “Ein fast vergessenes Leben entdecken: Zu Besuch in der Kartause Aggsbach”