Ja, ich wandere schon gern, aber nach 5 Stunden ist es bei mir aus. Konditionstechnisch und motivationstechnisch. Das geb‘ ich offen zu. Aber wenn ich die Zeilen und die Beiträge von Martin lese und ja, seine Bilder auf Instagram und Facebook sehe, dann beginne ich zu zweifeln. Ob es nicht doch einmal cool wäre, lange zu gehen. Oder besser gesagt weit. Die Natur und die Einsamkeit genießen, die eigenen Grenzen zu überwinden. Kannst du dir nicht vorstellen? Dann schau dir an, was Martin übers Weitwandern zu erzählen hat und deine Meinung wird ebenso schwanken wie meine. Und wenn du schon überzeugt bist – noch besser. Dann gibt’s hier für dich eine extra Portion Inspiration.
Martin und das Weitwandern
Wie bist du zum Wandern gekommen? Seit wann wanderst du schon?
In der Kindheit und der Jugend war ich mit den Eltern nur sehr selten wandern, eher spazieren bei Urlauben und Ausflügen. Mit meinen Geschwistern bestieg ich als 14-Jähriger mit dem Traunstein in Oberösterreich meinen ersten „richtigen“ Gipfel. Dann war jahrelang Sendepause. Erst mit 23 Jahren fand ich wieder zum Wandern, und das gleich direkt 30 Tage am Jakobsweg. Wie ein Sprung ins kalte Wasser, oder in diesem Fall in die heiße spanische Meseta.
Wo bist du schon gewandert? Was waren deine Highlights?
Ich hielt mich bislang nur in Europa auf, vor allem natürlich innerhalb Österreichs. Europaweit hielt ich mich wandernd in Spanien, Deutschland und Italien auf, war in der Hohen Tatra zwischen Polen und Slowakei unterwegs, auf kroatischen Inseln, aber auch im Dinarischen Gebirge an der Grenze Kroatiens und Bosnien-Herzegowina.
Als Highlight muss ich immer noch den Spanischen Jakobsweg herausheben, aber wohl auch nur weil er mein Einstieg in die Welt des Weitwanderns war. Sehr genieße ich jedoch auch Mehrtagestouren ohne kaum auf Menschen zu stoßen. So ist mir meine Mehrtagestour am Zentralalpenweg im Rätikon in Erinnerung geblieben. Das Wetter war verbesserungswürdig (teilweise war es einfach grauslich), so blieben viele Menschen im Tal. Auch sehr eingeprägt hat sich meine teils weglose Biwaktour im Toten Gebirge.
Aber auch talnahe Mehrtagestouren haben ihren Reiz, sonst wären wir wohl nicht schon drei Mal durch die Täler von Steyr und Enns gewandert.
Wie viel Zeit wendest du das Wandern auf?
Unterschiedlich. Im Winter sitze ich meistens in der Schreibstube und bin relativ selten wirklich wandernd unterwegs. Sonst kann es schon mal passieren, dass ich unabhängig von Weitwanderwegen täglich woanders unterwegs bin.
Was war die extremste Tour, die du gemacht hast?
Eindeutig meine Tour auf den Dinara, den höchsten Berg Kroatiens an der Grenze zu Bosnien-Herzegowina. Habe diese Tour als „Öffi-Tagestour“ ausgeführt. Bin mit dem Nachtzug über Zagreb nach Knin, 25km und 1500 Höhenmeter später stand ich am Gipfel, die gleiche Strecke wieder retour nach Knin und wieder mit Nachtzügen über Zagreb retour nach Österreich. Und alles gänzlich alleine, den ganzen Tag keine Menschenseele getroffen. Würde ich so in dieser Form wahrscheinlich nicht mehr machen. 🙂
Körperlich fordernd war die 24-Stunden-Wanderung am Moselsteig. 80 Kilometer in 19 Stunden habe ich noch zwei Tage danach gespürt.
Hast du auch so was wie deinen Hausberg oder Hausstrecke? Wo bist du besonders gern, oder gehst du keinen Weg 2x?
Ich suche mir schon immer wieder neue Fleckerl, aber bin auch gerne auf schon bekannten Wegen unterwegs. Oft unterwegs war ich am Weg zwischen Bahnhof Payerbach, Eng und Krummbachstein südlich des Schneebergs in Niederösterreich. Auf diesem Gipfel war ich bislang auch wohl am Öftesten, auch wenn ich kein Gipfelbuch oder Tourenbuch wie manch andere führe. Kann ich also nicht mehr genau nachvollziehen.
Weitwandern:
Was das eigentlich genau ist und wozu man es tun sollte
Weitwandern:
Was das eigentlich genau ist und wozu man es tun sollte
3 Wörter, die du mit Wandern verbindest?
Lebenseinstellung, Naturliebe, Freude.
Was war dein schönstes Erlebnis beim Wandern?
Alle Momente, die unerwartet sind, und jetzt nichts Negatives hervorrufen, sind schöne Erlebnisse. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir aber die schon erwähnte Biwak-Tour im Toten Gebirge. Ich hatte mir einen ebenen Schlafplatz zwischen den Felsen gesucht. Im Abendrot beobachtete ich am Gegenhang spielende Gämsen, die ein Schneefeld abgerutscht waren und seitlich wieder hinaufgelaufen sind, wieder runtergerutscht sind, usw. Es war einfach faszinierend, diesen wilden Tieren beim Spielen zuzusehen. Abgesehen davon, dass mich mitten in der Nacht eine Gämse geweckt hatte, weil sie wenige Meter neben mir zum Schreien begann.
Was macht für dich Wandern zu etwas Besonderem? Was ist das gewisse Extra?
Das simple Gehen in der Natur. Jederzeit stehen bleiben zu können, mit Menschen in Gespräche zu kommen, die Einfachheit und auch das Langsame. Ich bin überzeugt: Würden mehr Menschen einfach raus in die Natur gehen und bewusst die Natur beobachten, muss ja nicht gleich eine Wandertour sein, wäre die Welt viel lebenswerter.
Weitwandern und Wandern im östlichen Österreich

Deine Wandertipps fürs östliche Österreich?
Schwierig, gibt so viele schöne Ecken. Wer es eher flach und waldig mag, dem empfehle ich das Leithagebirge und den Besuch der luftigen Warte am Sonnenberg bei Hornstein.
Ein einsamer Tipp für Gipfelstürmer wäre der Mittagstein bei Hirschwang an der Rax, hier führt kein offiziell markierter Weg auf den Gipfel. Hinweise vor Ort gibt’s trotzdem.
Unweit davon befindet sich der feine Aussichtsberg Krummbachstein, südlich davon kann im Naturfreundehaus Knofeleben unglaublich gut gespeist und genächtigt werden.
Lust bekommen? Dann Rucksack packen und los gehen!
Was solltest du noch vorher übers Weitwandern wissen?
Was sollte man beim Weitwandern beachten? Was rätst du Wanderanfängern?
Nicht übernehmen. Also nicht zu weit gehen am Beginn, auch nicht zuviele Höhenmeter zumuten wenn man nicht trainiert ist. Da kann die Lust schnell mal vergehen, und in diesem Fall ist „gehen“ nicht gut. Suche dir Weitwanderwege aus, die gut markiert sind und zu denen gute Literatur vorhanden ist. Dies erleichtert die Orientierung, je versierter du bist, desto eher kannst du dich unbekannteren Weitwanderwegen widmen.
Auch beim Gepäck sollte man versuchen, sich aufs Mindeste zu beschränken. Man muss nicht jeden Tag neue Unterhosen tragen, auch T-Shirts lassen sich gerne mal drei Tage tragen. Jedoch hier mein Grundsatz: Learning by doing. Du wirst spätestens nach der ersten Tour wissen, was total überflüssig ist oder was mitkommen hätte sollen. So war’s bei mir jedenfalls.
Wer erzählt hier?
Ich bin der Martin, geboren 1987 im oberösterreichischen Zentralraum. Natur- und Umweltbewusstsein waren bei mir schon immer ausgeprägt, schön dass ich das nun auch mit dem Wandern verbinden kann. Über mehrere berufliche Umwege, war nach einer technischen Ausbildung auf einmal Buchhändler, kam ich dazu, Wanderbücher zu schreiben. Angefangen mit einem Wanderbuch für Hunde im Jahr 2012, habe ich mittlerweile sieben Bücher und Broschüren für Tages- und Mehrtagestouren veröffentlicht, das neueste Werk „Von Hütte zu Hütte in den Wiener Hausbergen“ findet sich ab Mitte Mai 2017 in den Buchhandlungen wieder.
Bin ein genügsamer, gelassener und geselliger Typ und versuche so die Welt ein klein wenig zum Besseren zu verändern. Es geht was weiter, immer wieder.
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